Dr. Georg Kronawitter Presse [Presseerklärungen Stadtrat a. D.Dr. Georg Kronawitter (CSU)]

Aufbruch in die Moderne - vor 50 Jahren begann der U-Bahnbau in München

[29.01.2015] Am 1. Februar vor 50 Jahren trafen sich OB Hans-Jochen Vogel (SPD) und der Bayerische Ministerpräsident Alfons Goppel (CSU) an der Ungererstraße in München-Schwabing. Der Grund: an diesem Tag begann der U-Bahn-Bau in München. Und damit eine Erfolgsstory, die jahrzehntelang die bayerische Landeshauptstadt zum Mekka der U-Bahnbauer und Verkehrsplaner der ganzen Welt werden ließ.

Das Projekt in Zahlen

Die Investitionen von 1964 bis 2011 betrugen insgesamt netto 4.280.895.050 Euro. Den größten Anteil mit netto 2.315.228.808 euro = 54,17 % trug der Bund. Der Freistaat Bayern hat netto 715.606.618 euro = 17,60 % übernommen. Die Stadt München hat einen Anteil von netto 1.214.059.624 euro finanziert. Dies entspricht 28,23 % des Gesamtvolumens. (Quelle: http://www.ris-muenchen.de/RII/RII/DOK/ANTRAG/2448611.pdf).

Bemerkenswert ist, in wie kurzer Zeit damals Nägel mit Köpfen gemacht wurden: Der seit 1960 neue OB Vogel machte die Verkehrsplanung quasi zum Hauptthema seiner ersten Amtszeit. Bereits damals wuchs "die heimliche Hauptstadt" (DER SPIEGEL) pro Jahr um 30.000 Einwohner. Die Millionengrenze war bereits 1958 überschritten worden.

Eine geniale Personalenscheidung Vogels war es, den Spitzenjuristen [Dr. Klaus Zimniok] vom Freistaat zur Stadt zu holen, skeptisch beäugt von der damals dominierenden SPD-Stadtratsfraktion. Zimniok hatte ein Faible für technische Problemstellungen und war ungeheuer produktiv.

Der Trassenstreit - Zimnioks erste große Stunde

Der erste Knoten war die Lösung des Trassenstreits: die Verkehrsbetriebe und die damals allein regierende SPD-Stadtratsfraktion beugten sich nach jahrelangem Widerstand den besseren Argumenten und überließen die West-Ost-Trasse der Deutschen Bundesbahn für den ursprünglich als V-Bahn titulierten heutigen S-Bahnstammstreckentunnel. Im Gegenzug musste die Bahn garantieren, dass sie eine u-bahn-artige Bedienung auf dieser städtischen Lebensader anbietet. Den Ausschlag für den städtischen Meinungsumschwung hatte eine in wenigen Monaten entstandene, 500 Schreibmaschinenseiten umfassende stadtinterne Studie von Dr. jur. Klaus Zimniok gegeben.

U-Bahn oder Unterpflasterstraßenbahn?

Dr. Klaus Zimniok

Was heute fast schon lächerlich anmutet, war damals ein Riesenthema: Soll man die Straßenbahn auf der Nord-Südachse einfach abschnittsweise - preiswert - unterirdisch verlegen - oder gleich eine richtige U-Bahn bauen? Am 10. Juli 1963 überließ der Stadtrat nicht nur der Bundesbahn die Ost-West-Trasse, sondern beauftragte auch die Verwaltung zu klären, ob nicht doch der Bau einer richtigen U-Bahn besser sei. Das war wieder die Stunde von Zimniok, der in einer weiteren Studie diese Frage klar zugunsten einer "richtigen U-Bahn" bejahte. Der Stadtrat beschloss daher am 29. Januar 1964 den Bau einer "echten" U-Bahn. Heutige Stadträte können von so kurzen Entscheidungszeiträumen nur träumen.

Die ungewöhnlich produktive Arbeitsweise von Zimniok trifft am besten das Bonmot des damaligen 2. Bürgermeisters Georg Brauchle (CSU) , dass "Dr. Zimniok in Indien als Schreibmaschine wiedergeboren" würde.

Vor genau 50 Jahren, am 1. Februar 1965 begann dann der U-Bahnbau. Chef der städtischen U-Bahnbauer wurde - natürlich - Dr. Klaus Zimniok. Und Zimniok wäre nicht Zimniok, wenn er nicht alles daran gesetzt hätte, das Münchner U-Bahnprojekt als Vorbild-Projekt aufzufassen und umzusetzen.

Die Verbund-Idee lebt

Und zu diesem Vorbildcharakter gehörte nicht nur eine state-of-the-art-Umsetzung vorgefundener Technologien. Schmerzlich war ihm bewusst, dass es in absehbarer Zeit keinen Betriebsverbund zwischen U- und S-Bahngeben werde, aber er hat vorgesorgt:

Zitat aus "Eine Stadt geht in den Untergrund", Seiten 95ff: "Nicht der "MVV" - die städtischen Verkehrsbetriebe und die Bundesbahn betreiben nach wie vor ihre Verkehrsmittel. Ein Betriebsverbund, der mutige Schritt in die Zukunft weg vom kleinkarierten und eigensüchtigen Denken in Zuständigkeiten, war nicht zu verwirklichen gewesen. Doch er wurde für die Zukunft nicht verbaut, allen Anfeindungen zum Trotz !Von Anfang an hatten wir die Gleise der U-Bahn und den Ausbau denen der S-Bahn angeglichen. Die S-Bahn fährt mit Einphasenwechselstrom und Oberleitung, die U-Bahn mit Gleichstrom aus einer seitlichen Stromscheine. Stromsysteme und sich schnell abnützende und bald veralternde Wagentypen lassen sich ändern. In Berlin benützt die S-Bahn Gleichstrom. In Hamburg hat die Bundesbahn S-Bahnstrecken von Wechsel- auf Gleichstrom umgestellt.

Tunnel und Bahnhöfe lassen sich nicht mehr nachträglich zuschneidern, sie stehen in Beton hundert und noch mehr Jahre und auch dann noch, wenn kommende Generationen in anderen Kategorien zu denken gelernt haben werden.Um einen Betriebsverbund mit einem einheitlichen größeren Wagen in der Zukunft zu ermöglichen und um technische Neuerungen, wie etwa ein Fahren mit Oberleitung, offen zu halten, wurden auch bei der U-Bahn um 55 Zentimeter höhere Tunnel gebaut.

Als die Süddeutsche Zeitung mit dem "Stachusskandal" aufwartete, wollte eine andere Münchner Tageszeitung nicht nachstehen und witterte in den 13 Millionen Mehrkosten eine Affäre und griff mich persönlich an. Doch sie sah sich enttäuscht. In der 80.Sitzung (am 30.Juni 1969 ) des Haushaltsausschusses des Bayrischen Landtags bescheinigte der Präsident der Bayerischen Obersten Rechnungshofes, Gotthard Brunner der Stadt "Weitsichtigkeit":

"Die Untersuchungen haben ergeben, dass die vom U-Bahn-Referat gewählte Lösung durchaus vertretbar ist, weil kein Zweifel besteht - was von der Bundesbahn bestätigt wurde - dass es technisch möglich wäre, in der Zukunft ein Fahrzeug zu entwickeln, das in der Lage ist, die Schienensysteme im U-Bahn-Bereich und im Bundesbahn-Bereich zu befahren. Diese Lösung wäre ein Fortschritt und ein Vorteil. Denn die Möglichkeit eines späteren Betriebsverbunds zwischen U-Bahn und S-Bahn steht zwar im Augenblick nicht zur Debatte, kann aber später durchaus akut werden."

Wie gut sich eine Schienenehe ausnähme und welche Vorteile sie allen brächte, wurde ein halbes Jahr später am 2.Dezember 1969 demonstriert. Über einen Gleisanschluss unter der Brücke des Tatzelwurmes in Freimann rollte der erste Konvoi aus U-Bahn-Wagen und Güterwagen der Bundesbahn, die ab da Schotter und sonstiges Baumaterial für die U-Bahn bis vor Ort brachten, ohne dass, wie bisher, umgeladen werden musste."

- Zitat Ende -

Dieses Zimnioksche Zukunfts-Potential der städtischen U-Bahn liegt bis heute brach und könnte durch Zweisystemzüge gerade auf den S-Bahnästen westlich von Pasing bestens gehoben werden.

Vom Kostgänger zur schwarzen Null - die wirtschaftliche Seite des MVV

In seiner kommunalpolitischen Autobiografi "Die Amtskette" schreibt Hans-Jochen Vogel auf S. 95, welches Defizit die Stadt im ersten MVV-Jahr zu tragen hatte: "Die Einnahmen aus den Tarifen deckten ohnehin nur 45% der städtischen Betriebskosten. 1972 (müssen) bereits 58 Mio. Mark aus den Steuereinnahmen ausgeglichen werden. Für 1973 rechnet man mit 80 Mio. D-Mark. Das ist der Gegenwert von zwei Schulneubauten oder 7 % aller städtischen Steuereinnahmen."

Da ist München nun viel besser dran: die MVG benötigte bis vor kurzem für das Grundangebot kein Geld aus dem städtischen Haushalt.